Was hat die Biologie mit dem Thema Wohnen zu tun?! – Teil 2

28. Oktober 2024

Das Gehirn, die Raumwahrnehmung und die Erholung …

Wie wir unsere Umgebung wahrnehmen, hat weniger mit unserer Außenwelt zu tun als damit, was in unserem Gehirn passiert.

So werden Farben wahrgenommen, wenn Licht im Auge in der Netzhaut von Photorezeptoren absobiert und in Nervenimpulse umgewandelt wird, die dann im Gehirn zu Empfindungen interpretiert werden.

Farben sind ein wichtiges nonverbales Kommunikationsmittel und doch legt erst der Kontext der Verwendung die Bedeutung der Farbe fest. Eine rote Blüte kann freundlich wirken, ein roter Raum hingegen beunruhigen. In der Raumgestaltung werden Farben gezielt eingesetzt, um Aufmerksamkeit zu erregen und eine bestimmte Atmosphäre zu schaffen. 

Schwierig wird es, wenn Farben falsch eingesetzt werden. Ein weißer Raum weitet sich, wird optisch größer, aber er ist auch entgrenzt und nicht mehr stofflich für uns, wir fühlen uns nicht geborgen.Deshalb ist es so wichtig, die Bedürfnisse und Aktivitäten der Menschen bei der Gestaltung von Räumen zu berücksichtigen.

Worauf kannst Du also achten, damit du dich in deinem Zuhause besser regenerieren und erholen kannst?

1. Achte auf Dein Reizniveau in Deinem Zuhause

Um uns erholen zu können, sollten nicht zu viele Reize auf uns einströmen. Eine Reizüberflutung stresst unser Gehirn. Wir können dann nicht abschalten und regenerieren. Dieser Stress kann u.a. durch zu viele visuelle Reize wie z.B. Unordnung oder viele grelle Farben aber auch durch auditive Reize z.B. Lärm hervorgerufen werden. Schaue dich mal in deinem Zuhause um. Wo versteckt sich vielleicht ein „Zuviel“ an Reizen in deinem Zuhause? Sind es zu viele offene Regale? Zuviel was rumliegt? Zuviel Trubel um dich herum? Zuviel ….? Wenn du das Zuviel entdeckt hast, reduziere es.

2. Sorge für ausreichend Schutz und Privatsphäre

Damit wir uns in Räumen erholen können, sollten sie so gestaltet sein, dass wir uns sicherfühlen. Nur wenn wir uns sicher fühlen, können wir uns auch entspannen. Wir fühlen uns z.B. unbewusst dann sicherer, wenn wir mit dem Rücken zur Wand sitzen. So sehen wir, was um uns herum geschieht und es kann uns nichts unerwartet „von hinten anfallen“.

Ein Schreibtisch an der Wand mit freiem Rücken zum Raum oder das Sofa oder der Sessel mitten in den Laufwegen der Wohnung, wo ständig jemand vorbeiläuft, mag uns zwar keine Angst machen, aber unbewusst verbraucht es Energie. Wir sind dann unbewusst doch wachsamer, ohne dass wir es direkt und bewusst erleben. Und wachsam zu sein, lässt uns eben nicht wirklich entspannen.

3. Kontrollmöglichkeiten

Um uns gut zu erholen, sollten wir Sozialkontakte regulieren können. Wir möchten selbst entscheiden, wann wir mit wem wieviel Kontakt haben. Kannst du dich wirklich entspannen und erholen, wenn jederzeit der Postbote oder die Nachbarn an deinem Zimmerfenster vorbeilaufen könnte? Es entsteht so eine gewisse Daueranspannung. Gerade Erholungsbereiche wie Balkone und Terrasse sollten nicht zu exponiert sein. Denn dann fühlen wir uns schnell beobachtet und können uns nicht gut entspannen.

4. Umgebe dich mit viel Natur

Natur … egal ob in Form von Gärten, Fassaden- und Dachbegrünungen oder innerstädtischen Grünanlagen bietet in vielerlei Hinsicht den stärksten Erholungseffekt. Von der Wissenschaft wird dies auf die tief in uns verwurzelte, evolutionäre Verbindung zur Natur zurückführt. Die Natur hat schon immer für unser Überleben gesorgt bzw. uns mit all dem versorgt, was zum Überleben nötig war. Unsere Räume und Wohnumwelt sollten daher möglichst viel Naturbezug enthalten.

Begrünung ist auch ein wichtiges Qualitätsmerkmal von Wohnungen. 

Das kann der Ausblick ins Grüne oder auf begrünte Bereiche (Parks, Bäume, Rasenflächen) sein. Am besten ist es, wenn wir die Natur auch direkt erleben können, weil dann mehr Reize angesprochen werden … das sind z.B. Balkone und Terrassen. Das direkte Erleben der Natur spricht so viel mehr Sinne an und schenkt uns daher deutlich mehr Lebensqualität beim Wohnen. Deshalb dürfte keine Wohnung mehr gebaut werden, die nicht einen Balkon oder eine Terrasse hat.

Wie eine Reihe wissenschaftlicher Studien beweist, trägt bereits der visuelle Kontakt mit Pflanzen zur Regeneration bei. Das kann die Aussicht in die Natur sein oder auch Zimmerpflanzen oder Naturbilder.
Interessant ist auch, dass Lärm nachweislich als weniger störend empfunden wird beim Blick aus dem Fenster auf Bäume oder begrünte Flächen. Wissenschaftliche Studien zeigen ebenfalls, dass wir besser soziale Spannungen, Konflikte und Aggressionen abbauen können, wenn wir in die Natur eingebunden sind. 

Hochsensible Menschen nehmen Umweltreize besonders stark wahr und leiden oft an Reizüberflutung. 

Besonders hochsensible Menschen können darunter leiden, weil ihre Sinneswahrnehmung erhöht ist und sie Umweltreize intensiver wahrnehmen. Dadurch verstärken sich sowohl positive als auch negative Eindrücke. 

Generell ist die Toleranzgrenze gegenüber Reizüberflutung von Mensch zu Mensch sehr unterschiedlich. Reize, die eine Person vielleicht gar nicht wahrnimmt oder schlimmstenfalls als leicht unangenehm empfindet, können für eine andere Person kaum zu ertragen sein.

Ich bezeichne mich selbst als „raumsensibel“, da ich auf für mich nicht passende Raumstrukturen äußerst sensibel reagiere und mich darin sehr unwohl fühle!!!

Die Forschung geht davon aus, dass bestimmte Bereiche im Gehirn bei manchen Menschen stärker durch Umweltreize aktiviert würden als bei anderen.

Starke und andauernde Reizüberflutung kann nicht nur das allgemeine Wohlbefinden stören, sondern auch der Gesundheit schaden. Reizüberflutung durch Lärm, Licht oder Gerüche kann zu Symptomen wie Stressgefühl, Unruhe, Reizbarkeit, Konzentrationsstörungen bis hin zu Schlafstörungen führen. 

Diese Symptome hängen sehr häufig mit einer fehlenden wohngesunden Raumgestaltung zusammen.

Lärm, Luftverschmutzung und viele Menschen auf engstem Raum: Das Leben in der Stadt ist für viele purer Stress – und das spiegelt sich auch in unserem Gehirn wider. Studien zeigen, dass bei Städtern der Mandelkern aktiver ist als bei Landbewohnern. Diese kleine Region im Mittelhirn ist unter anderem für die Stressverarbeitung und unsere Reaktion auf Gefahren zuständig. Als Folge der chronischen Stressbelastung laufen Städter häufiger Gefahr, an psychischen Leiden wie Depressionen, Angststörungen und Schizophrenie zu erkranken als Landbewohner.

So kann ich nur immer wieder die Verbindung von der Humanbiologie zur Wohn- und Architekturpsychologie anführen:

In allen Aspekten deines Lebens können dich deine Räume unterstützen, und so zu mehr Gesundheit und Wohlbefinden beitragen.

Wohnen bedeutet mehr als Einrichten …