Wohnen für Ältere – Das Leben mitgestalten und aktiv genießen

27. September 2021

Allgemein gilt: Bedürfnisorientierte Planung beim „Wohnglück“ ist in jeder Lebensphase wichtig. Aber vor allem bei älteren Menschen, werden die Einflüsse der Wohnumwelt massiv unterschätzt, obwohl sie die Auswirkungen deutlicher zu spüren bekommen. Bei der Planung für das „Wohnen im Alter“ stellen sich deshalb viele Fragen.

… wenn ich noch fit bin:

  • Eigene Wohnung
  • Gemeinschaftliches Wohnen/Mehrgenerationenwohnen/Cohousing
  • Betreutes Wohnen
  • Seniorenresidenz
  • Die eigene Wohnung/Haus barrierefrei umbauen
  • In eine barrierefreie Wohnung ziehen

… wenn es zu Hause beschwerlich wird:

  • Die eigene Wohnung/Haus barrierefrei umbauen und mit technischen Assistenzsystemen ausstatten
  • Seniorenstift/Seniorenresidenz
  • Pflege-WG
  • Ambulante Pflegedienste
  • Betreutes Wohnen

… wenn es alleine nicht mehr geht:

  • Pflegeheim
  • Pflege-WG
  • Angebote speziell für Menschen mit Demenz
  • Seniorenstift/Seniorenresidenz

Wenn wir einen unbekannten Raum betreten, sind unsere Sinne die ersten, die mit der neuen Umgebung in Berührung kommen. Die Wohnatmosphäre wird von uns sogleich analysiert und bewertet – unbewusst. Vor allem im voranschreitenden Alter wird unsere Reizaufnahme empfindlicher.

Bei der visuellen Wahrnehmung ist zum Beispiel darauf zu achten, starke Gegenlicht- und Blendungssituationen vorzubeugen. Farblich werden warme, pastellige und erdige Töne bevorzugt, die angenehm und heimelig auf uns wirken. Bei der Helligkeit der Materialien wird ein natürlicher Verlauf gewählt, indem der Boden die dunkelste und die Decke die hellste Fläche ist.

Bei immer mehr älteren Menschen lässt die auditive Wahrnehmung nach. Viele müssen zu einem Hörgerät greifen, doch diese können das selektivfokussierte Hören erschweren. Aus diesem Grund wird eine klare Raumakustik angestrebt. Hintergrundgeräusche wie Außenlärm wirken meist ungemütlich und belastend.

Oft vergessen wir, dass auch die taktile Wahrnehmung ein sehr wichtiger Sinn ist, um Reize aufzunehmen. Die Berührungen mit Händen lösen immer Emotionen aus, wenn auch unbewusst. Persönliche Erfahrungen haben einen großen Einfluss auf eine positive oder eine negative Wahrnehmung. Meistens bevorzugen wir natürliche Materialien wie geschliffenes Holz oder Wolle.

Generell gilt, dass sensorische Sinnesreizungen unsere Orientierung fördern. Als Folge steigert dies die Ortsidentifikation, die Ortsbindung, das Geborgenheitsgefühl und damit das allgemeine Wohlbefinden im Raum.

Unsere Gesellschaft steht vor einer immer größer werdenden Gefahr: Einsamkeit und soziale Isolation. Jeden Tag stehen wir in Kontakt mit anderen Menschen: egal ob in der Freizeit oder in der Arbeit. Im Rentenalter fällt die Berufstätigkeit, ein wichtiger Bestandteil des Alltags, weg. Auch die Möglichkeiten das Auto zu nutzen und Freunde und Familie zu besuchen, gestaltet sich zunehmend schwieriger. Deshalb ist es wichtig, dass die Wohnung und das Wohnumfeld Möglichkeiten zur sozialen Interaktion bieten. Die (neuen) Alltagsaktivitäten sollten barrierefrei und zu Fuß erreichbar sein. Der tägliche Kontakt zu Freunden und/oder Familie sollte so unterstützt werden.

Bei Pflegebedürftigkeit wäre ein verlässliches Kontaktpersonenteam mit mobilen Angeboten eine Option oder ein Umzug in eine gemeinschaftliche Wohnform.

Ja, unser Wohnumfeld hat einen sehr starken Einfluss darauf. Unser Körper wird mit zunehmendem Alter schwächer und anfälliger für Verletzungen.

Im Wohnumfeld sollten deshalb Wege und Anlagen gut beleuchtet, gepflegt und übersichtlich gestaltet werden. Haltegriffe und Rampen fördern unsere Selbstständigkeit bei körperlichen Einschränkungen. Wenn wir uns mal nach einer Pause sehnen, sollten ausreichend Sitzplätze verfügbar sein.

Um Kriminalität vorzubeugen sollten das Gebäude wie auch das Wohnumfeld entsprechende räumliche Strukturen aufweisen, die Sicherheit und Geborgenheit vermitteln. Ebenfalls wichtig sind dabei das Verbundenheitsgefühl und die Stärkung der Bewohnenden-Gemeinschaft. Aktive Nachbarschaftshilfen oder Gruppenaktivitäten beugen sozialer Isolierung vor.

Innerhalb der Wohnung sind Notrufsysteme, Türzutrittskontrolle und zentrale Ausschalter beim Verlassen der Wohnung sinnvoll.

Die eigenen vier Wände sind ein Rückzugsort für unsere persönliche und freie Entfaltung. Das Gefühl des „Zuhause-Seins“ ist sehr individuell – genau wie wir. Geschmack und Vorlieben spielen eine wichtige Rolle bei der Gestaltung und Personalisierung des Zimmers bzw. der Wohnung. Vor allem in einer Gemeinschaftseinrichtung sollte eine Individualisierung ermöglicht werden. Das Gestalten und Aneignen des persönlichen Wohnraumes bereiten den Boden für die stärkste Form der emotionalen Bindung zur jeweiligen Wohnung und auch zum jeweiligen Wohnort. Die positiven Effekte des Gestaltens auf die mentale Gesundheit und das psychische Befinden wurde in Studien ausführlich beschrieben.

Mit dem Gefühl „Zuhause-Sein“ verbinden wir das Thema „Privatsphäre“, welches für jeden essenziell ist. Ein Einzelzimmer mit eigenem Bad ist deshalb auch in einer Pflegeeinrichtung notwendig, denn die Regulierung der Privatsphäre trägt entscheidend zur Gesunderhaltung bei.

Die größte Herausforderung für uns ist, sich an die neue Lebensphase und Entwicklungen anzupassen. Egal ob aktiv oder körperlich eingeschränkt: ein „angepasstes Wohnumfeld“ ist ein Beitrag für ein erfülltes Leben.

Gerade im Badezimmer möchte jeder so lange wie möglich ohne Hilfe auskommen, denn hier ist die Wahrung der Intimsphäre besonders wichtig. Hilfen wie Duschsitz, höhenverstellbares Waschbecken oder eine schwellenlose Dusche sind wichtige Einbauten. Die Türdurchgänge sollten breiter gebaut werden, um genauso wie bei Terrassen und Balkone, den Zugang zu vereinfachen. Ambulante Pflegedienste und haushaltsnahe Dienstleistungen ermöglichen uns möglichst lange ein selbstbestimmtes Leben. Das Wohnumfeld sollte ruhig sein und gleichzeitig zentral liegen, um eine unkomplizierte Teilhabe am „pulsierenden Leben“ zu ermöglichen.

Viele machen sich Gedanken was sie tun werden, wenn sie mal in den „Ruhestand“ gehen. Gerade für Menschen, die aus dem aktiven Arbeitsleben ausscheiden, ist es wichtig Aufgaben zu haben. Doch was ist, wenn man mal nichts tut? Sie sollten darin bestärkt werden, dass „Nichts-tun“ nicht „passiv“ ist. Positive Stimmungen unseres Wohn- und sozialen Umfelds tragen dazu bei. So bietet uns die Teilnahme am sozialen Leben beispielsweise gute geistige Anregungen, um Freude, Anerkennung und Selbstwirksamkeit zu erfahren. Assistenzsysteme wie „Ambient Assisted Living“ (AAL) unterstützen uns dazu mit Hilfe von Kommunikations- und Informationstechnologie.

Jeder von uns ist in seinem Leben schon mal mit Stress in Berührung gekommen – in der Arbeit oder im Privatleben. Das eigene Zuhause ist unser Rückzugsort. Durch die vertraute Wohnumgebung und sozialer Verbundenheit im unmittelbaren Wohnumfeld kann Stress vermieden werden. Eine ruhige Farbgestaltung, einen Ausblick in die Natur und/oder Grünpflanzen wirken entspannend. Lärmbelastung, Enge und „Crowding“ beim gemeinschaftlichen Wohnen sollten durch genügend Rückzugsmöglichkeiten umgangen werden. Bei Nichtbeachtung führt dies zu einer subtilen, oft unbewusst auf den Menschen wirkenden Stressbelastung.

Die Folgen von Stressbelastung sind Passivität, Rückzug, Aggressivität, erhöhtes Schmerzempfinden, Schlafstörungen, aber auch physische Probleme wie erhöhter Puls und Blutdruck können auftreten. Beobachtet wurde auch der langsame, aber stetige Abbau geistiger und kognitiver Fähigkeiten.

Eine „gesunde Wohnumwelt“ trägt entscheidend zur Stressvermeidung und dabei zur Gesunderhaltung bei.

Nach der Definition der WHO ist Gesundheit nicht nur das Freisein von Krankheit und Gebrechen, sondern ein Zustand völligen psychischen, physischen und sozialen Wohnbefindens. Behaglichkeit und gesundheitsfördernde Wohnwelten entstehen nicht nur, wenn die Räume unseren Bedürfnissen angepasst sind, sondern auch durch die Verwendung von ökologischen Baustoffen und die Vermeidung von Wohngiften aller Art. Private Freiflächen wie Balkone und Terrassen, und ebenso Ausblicke in die Natur bilden eine gute Basis für ein gesundes Wohnen nicht nur für Ältere.

©Lilac

Eine Cohousing-Siedlung ist eine geplante Gemeinschaft, die aus privaten (möglichst barrierefreien) Wohnungen oder Häusern besteht, die durch umfangreiche Gemeinschaftseinrichtungen ergänzt werden; dies bedeutet ein Zusammenspiel von vielen Aneignungsmöglichkeiten und gleichzeitig vielen Interaktionsmöglichkeiten.

Gemeinsam statt Einsam …Ziel dieser Form des Zusammenlebens ist ein besseres Miteinander, es sind gelebte Nachbarschaftsbeziehungen. Durch die soziale Einbindung ist auch ein aktiveres Leben zu erwarten und damit verbunden eine bessere Gesundheit. Es zeigte sich bereits, dass ältere Personen, die in gemeinschaftlichen Wohnprojekten leben, erst später in Pflegeheime umziehen müssen bzw. gar nicht!

Gemeinschaftliche Wohnformen und andere Formen des Zusammenlebens im Alter haben viele Vorteile gegenüber konventionellen Wohnformen: Kontakte zwischen Jung und Alt, gegenseitige praktische Hilfen im Alltag und vor allem Teilhabe am sozialen Leben. Durch die soziale Nähe und die emotionale Bindung kann „Cohousing“ eine Hilfestellung auch in Lebenskrisen sein, wie etwa Krankheit oder andere Schicksalschläge.

So bieten gemeinschaftliche Wohnprojekte gerade älteren Menschen die Möglichkeit der bewussten und aktiven Gestaltung ihres Lebensabends.

Dies sind nur einige Fragen aus einem spannenden und vielseitigen Themenspektrum. Vor allem machen sie deutlich, wie wichtig es ist, sich frühzeitig damit auseinanderzusetzen, wie man in Zukunft wohnen will. Eine der wichtigsten gesellschaftlichen Herausforderung ist die Schaffung von „humanen Lebenswelten“ für jeden Menschen.